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Classic Concepts: Lamborghini Cheetah

Der neue Lamborghini Urus weckt Erinnerungen an den brachialen Geländewagen LM002 von 1986. Doch was kaum jemand erinnert: Erste Offroad-Erfahrungen machte Lamborghini bereits 1977 mit dem Cheetah Concept – und hätte das Experiment beinahe nicht überlebt.

An die späten Siebzigerjahre erinnert man sich bei Lamborghini nur ungern: Erst hatten die Ölkrise von 1973 und die nachfolgende Rezession die italienische Marke einen Großteil ihrer liquiden Mittel gekostet, dann zog sich Firmengründer Ferruccio Lamborghini aus dem operativen Geschäft zurück, um seine letzten Jahre ungestört auf seinem Anwesen in Perugia zu verleben. Um dem führerlos treibenden Unternehmen Herr zu werden und die Konten zu füllen, nahmen die neuen Besitzer von Lamborghini Entwicklungsprojekte verschiedener Firmen entgegen. Von BMW kam der Auftrag zur Entwicklung eines Chassis für den Mittelmotor-Sportwagen M1 und die Produktion von 400 Exemplaren für die Rennsport-Homologation. Gleichzeitig erhielten die italienischen Ingenieure über die Firma Mobility Technology International (MTI) die Bestellung für ein geländetaugliches Einsatzfahrzeug für die US-Armee. Mit der Aussicht auf einen lukrativen Deal willigten die Entscheider in Sant’Agata ein. Das Startkapital lieh man sich kurzerhand beim italienischen Staat.

 

Classic Concepts: Lamborghini Cheetah
Classic Concepts: Lamborghini Cheetah Classic Concepts: Lamborghini Cheetah


Basiernd auf Plänen von MTI aus Amerika begann man in Italien mit der Entwicklung eines Prototypen für den militärischen Testlauf. Was die Lamborghini-Techniker jedoch nicht wussten, war die Tatsache, dass MTI den Großteil der Konstruktionszeichnungen von einem früheren Vertrags-Kandidaten „entliehen“ hatten. Im Heck der Fiberglas-Karosserie wurden ein wasserdichter V8-Motor mit 5,9 Litern Hubraum aus dem Chrysler-Regal und ein Dreigang-Automatikgetriebe eingesetzt. Doch die Positionierung des Motors war für das Fahrverhalten denkbar ungünstig – und auch die 180 PS Leistung machte den Zweitonner nicht gerade zu einem Geländesportwagen. Obwohl der „Jahrhundertdeal“ mit dem US-Militär damit immer unwahrscheinlicher wurde, entschied sich Lamborghini gegen ein jähes Ende des Projekts – und zeigte auf dem Genfer Salon 1977 eine Konzeptstudie namens Cheetah, die als Ausblick auf ein ziviles Geländemodell kommuniziert wurde. Ungünstigerweise hatte Lamborghini für die Entwicklung des Cheetah auch einen Großteil jener Mittel verbraucht, die für den BMW M1 vorgesehen waren. Nachdem die Münchener eine Fehlentscheidung nach der anderen mit angesehen hatten, entzogen sie Lamborghini kurzerhand den Entwicklungsauftrag. Dann wurde auch noch der einzige existierende Prototyp des Cheetah bei einem Militärtest in Kalifornien zerstört – und Lamborghini drohte ein ähnliches Schicksal. Im August 1978 meldete Lamborghini Konkurs an, während der Auftrag der US-Armee an anderer Stelle für einen Geländewagen namens „Humvee“ an AM General vergeben wurde.

 

 

Classic Concepts: Lamborghini Cheetah
Classic Concepts: Lamborghini Cheetah Classic Concepts: Lamborghini Cheetah


Die Marke war am Boden – doch die Idee hinter dem Cheetah erwies sich als zäher denn gedacht. Anfang der Achtzigerjahre nahm ein neues Team in den Chefsesseln von Sant’Agata Platz und nahm auch den Plan für einen Offroader wieder auf. 1981 zeigte Lamborghini auf dem Genfer Autosalon eine Weiterentwicklung des Cheetah mit dem Namen LM001, einer Kurzform für „Lamborghini Militaria Nr. 1“. Ein Jahr später debütierte der zweite Prototyp namens LMA002 (das „A“ stand für „anteriore“, also „vorn“), bei dem die Ingenieure den schwachbrüstigen amerikanischen V8 im Heck gegen das 375 PS starke V12-Triebwerk des Lamborghini Countach LP500S ausgetauscht – und dieses auch endlich in der Front eingesetzt hatten. Als der Lamborghini LM002 im Jahr 1986 in Serie ging, erhielt er sogar einen Quattrovalvole-V12 mit 5,2 Litern Hubraum und 455 PS. Die Geschichte des LM002 ist hinreichend dokumentiert – als „Rambo Lambo“ erfreute sich das Geländemonster großer Beliebtheit, auch wenn man bei zügiger Fahrt gerne mehr als 40 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbrannte. Bis 1993 wurden mehr als 300 Exemplare verkauft, viele davon in den Nahen Osten. Der Sultan von Brunei besaß ein Modell, und nach dem zweiten Sturm auf Bagdad fand auch die US-Armee einen LM002 aus dem Vorbesitz von Saddam-Sohn Uday Hussein. Dass die wilde, nicht immer ganz seriöse Geschichte vom Cheetah bis zum LM002 nun als historische Lizenz für die Entwicklung des neuen SUV-Modells Urus dient, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren wird der Urus seinen wirtschaftlichen Auftrag jedoch sicherlich mit Bravour erfüllen – und somit zumindest einen roten Faden der SUV-Tradition aus Sant’Agata im Sand verlaufen lassen.

Fotos: Lamborghini